Originallack?

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Der Irrglaube um Originallack kann Auswüchse wie religiöser Fanatismus annehmen. Diese Erfahrung machten wir 2009, als wir wegen dieses Themas vor den Kadi zitiert wurden. Über die Unbelehrbarkeit des Kunden, aber auch Unverstand der Anwältin habe ich mich sehr geärgert. Aber was hatte ich zu erwarten? Für den einen ging's ums Prinzip, für den Rechtsbeistand war es ein Job zum Geldverdienen. Lediglich der unparteiische Richter begriff die Problematik. Dieser Beitrag möge deshalb als Aufklärung über den so oft missbrauchten Begriff des ORIGINALLACKES dienen. Vorteilhaft als Teaser für Kunden, faktisch aber total falsch und gelogen!


Genuine Beschichtungsmaterialien?

   

Hin und wieder werden wir gefragt:
„Verarbeiten Sie denn auch Originallacke an meinem Auto?“

Dazu muss zunächst der Begriff ORIGINAL-Lack definiert werden. Das Wort „original“ stammt ab vom lateinischen originalis (Ursprung, Quelle) und hat mehrere Synonyma, wie z.B. authentisch, echt, genuin, unverändert, unverfälscht und ursprünglich.

Laut Begriffsbestimmung ist demzufolge Originallack das Beschichtungsmaterial, mit welchem seinerzeit Ihr Fahrzeug, sei es Auto, Motorrad oder sonst was, im Herstellungsprozess beschichtet wurde. Anders gesagt: Wenn Ihnen bei Fahrzeugkauf und -auslieferung ein halber Liter Farblack mit der Chargennummer des Farbtones beigelegt würde, mit dem ganz ausdrücklich Ihr Gefährt am Band lackiert wurde, DANN hätten Sie tatsächlich „Originallack“ erhalten.

ABER: Die Chargenabfüllung aus der NÄCHSTEN Farblieferung an den Fahrzeughersteller ist dann schon NICHT MEHR original, denn sie besteht aus einer neuen Anfertigung des Farbtones, der ja bekanntlich aus diversen Inhaltsstoffen besteht! Zwar wird der entsprechende Farbton nach feststehenden Rezepten gefertigt, jedoch können durchaus spezifische Gewichte einzelner Pigmente herkunfts- und produktionsbedingt variieren. Z.B. wäre es durchaus möglich, dass ein Gramm Blau der einen Produktionscharge eine andere Färbekraft pro Gewichtseinheit aufweist als das eines anderen Herstellungszeitraumes. Farbtonschwankungen in den Werkslackierungen beweisen uns Fachleuten diesen Umstand fast täglich in der Praxis. Wie sonst wären Farbtonschwankungen ab Werk zu erklären? Dass nicht mal die produzierenden Autohersteller die Einhaltung ihrer einstigen Farbstandards gewährleisten können, wie ich es recht detailliert im Thema „Farbunterschiede“ aufgezeigt habe.

  

Keine Industrie-Einbrennlacke für die Reparaturlackierung!

Im gesamten Lackreparaturbereich außerhalb der Werklackierstraßen kommen weltweit keine echten Originallacke zur Anwendung! Die für die Industrie gefertigten Materialien sind für einen Trocknungs-/Aushärtungsablauf bei um die 150°C entwickelt worden. Solche Temperaturen vertragen aber nur unkomplettierte Rohkarossen! Bindemittel und Pigmente entsprechen den expliziten Verarbeitungsbedingungen am Band. Auch wenn Sie sich rein theoretisch über drei krumme Ecken was von dem Zeug aus’m Werk besorgen könnten, es braucht o.g. Hitze zum Reagieren und Aushärten!

Für den Reparatursektor, in welchem komplette Fahrzeuge inkl. ihrer empfindlichen Elektronik und verformbaren Kunststoffteilen lackiert werden, ist das nicht möglich. So mussten Äquivalente geschaffen werden. Materialien, die bei 15 und 80 °C gleichermaßen gut aushärten und dem „Einbrennlack“ ebenbürtig sind. Globusumspannend stellen Surrogate in Form anderer Bindemittel und Pigmente das Repertoire des Reparaturlackierers.

Reparaturlacke sind von der Zusammensetzung ähnlich und von der Pigmentverwendung möglichst nah zum „Bandlack“ der Lackierindustrie konstruiert.

Zurück zu den Originallacken. Es gibt derzeitig, genau kann man es nicht mehr sagen, da die Zahl ständig steigt, in etwa 50.000 Fahrzeug-Farbtöne auf dem Markt. Niemand, auch kein Lackhersteller kann es sich leisten, alle 50.000 Farben auf Lager zu haben – schon alleine der Haltbarkeitsdauer wegen. Deshalb wurden für die Lackreparatur, der Fachmann nennt diese „Refinishing“, Anfang der 70-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts (hört sich ulkig an, was?) die ersten Rührwerksmaschinen kreiert. Neben einer Lackierkabine ist wohl heute die

  

Farbmischbank

die zweitwichtigste Einrichtung in einer modernen Lackierwerkstatt. Zur Entwicklungsgeschichte: Beginnend in den 60-er Jahren listeten die Lackhersteller die jeweiligen Mischformeln für einen Autolack in ihren Farbkatalogen auf, unmittelbar neben den als Farbpaspeln abgebildeten Farbtönen. Die Mischlacke (Toner) konnte der Lackierer kaufen und dann war es dem Geschick des Verarbeiters und der Genauigkeit seiner Waage überlassen, wir der Farbton letztendlich herauskam.

Mit steigender Anzahl der Autotypen und verbundenem Anwachsen der Farbpalette, aber auch durch das Aufkommen von Effektlacken, wurden Bücher für Farbrezepturen untauglich. Zumal die damals einfachen Formulas nun immer mehr Ingredienzen bekamen und auf einmal in anderen Qualitäten als nur Kunstharzlack produzierbar waren. Die Mischfarbenpalette wuchs enorm an. Parallel zum Aufkommen von Mikrofilmen für die Ersatzteilbestimmung wurden alsbald auch Farbformeln als Mikrofiche herausgegeben. Um die Genauigkeit der gemischten Farben möglichst zu gewährleisten, wurden Lager-Racks mit Antrieben in ihren Regalböden entwickelt, die der Lackierer täglich als auch bei jedem Mischvorgang einzuschalten hatte. Wendelgleiche Rührwerke verhinderten ein Absetzen der Pigmente in den Dosen und somit ein falsches Mischergebnis. Von der Firma AKZO-NOBEL einst erfunden und von allen Lackherstellern übernommen, eroberten diese Mischbänke die Reparaturbetriebe der Welt.

  Mischmaschine

Anstelle des Mikrofiches arbeitet der Fachlackierer heute mit Rechnertechnik und PC-verbundener elektronischer Waage. Die neuesten Entwicklungen sind Mischautomaten...
Tauchen Sie tiefer ein in die Thematik um Original- und Reparaturlack! Wie funktionieren hochsensible Mischautomaten? Lernen Sie die Problematik der Farbtonpassung zu verstehen und welche Alternativen es gibt:    Weiterlesen?

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